7 Techniken zur Bewertung der Managementqualität bei Investmententscheidungen
In meiner langjährigen Erfahrung als Investor habe ich gelernt, dass Zahlen nur die halbe Miete sind. Ein hervorragendes Management kann mittelmäßige Geschäftsmodelle zum Erfolg führen, während ein schlechtes Management selbst die vielversprechendsten Unternehmen ruinieren kann. Dennoch wird die Qualität der Führung bei Investmentanalysen oft vernachlässigt.
Die Beurteilung von Managementteams erscheint vielen als zu subjektiv oder komplex. Dabei gibt es durchaus systematische Ansätze, um die Führungsqualität zu bewerten. Ich möchte sieben Techniken vorstellen, die mir bei meinen eigenen Investmententscheidungen geholfen haben, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Die Kapitalallokation eines Unternehmens verrät mehr über das Management als jede Unternehmenspräsentation. Wenn ich die Entscheidungen der letzten Jahre betrachte, erkenne ich Muster. Steigert das Management konsequent den Unternehmenswert? Bei Amazon hat Jeff Bezos jahrelang Gewinne reinvestiert, was kurzfristig die Margen belastete, aber langfristig einen enormen Wettbewerbsvorteil aufbaute. Im Gegensatz dazu haben viele Ölkonzerne in Zeiten hoher Ölpreise teure Übernahmen getätigt, die bei sinkenden Preisen massive Abschreibungen nach sich zogen.
Die Rendite auf investiertes Kapital (ROIC) ist hierbei ein entscheidender Indikator. Ein Management, das über Jahre hinweg eine ROIC über den Kapitalkosten erzielt, schafft nachweislich Wert. Besonders aufschlussreich ist ein Vergleich mit Wettbewerbern der gleichen Branche. Coca-Cola hat beispielsweise jahrzehntelang eine außergewöhnlich hohe Kapitalrendite erzielt – ein Zeichen exzellenter Kapitalallokation.
Die Art der Kommunikation mit Investoren offenbart viel über die Integrität des Managements. Ich achte darauf, wie transparent das Unternehmen mit Rückschlägen umgeht. Werden Probleme offen angesprochen oder versteckt? Netflix-CEO Reed Hastings kommunizierte den umstrittenen Strategiewechsel vom DVD-Verleih zum Streaming-Dienst zwar nicht perfekt, stand aber zu Fehlern und korrigierte den Kurs. Ein Management, das auch bei Gegenwind ehrlich bleibt, verdient Vertrauen.
In Quartalsberichten und Analystenanrufen suche ich nach konsistenten Aussagen. Ändert sich die Strategie ständig oder verfolgt das Management langfristige Ziele? Werden Erfolge dem eigenen Geschick, Misserfolge aber äußeren Umständen zugeschrieben? Solche Muster sind Warnsignale. Besonders aufschlussreich sind die Frage-und-Antwort-Runden in Analystenanrufen, wo Führungskräfte weniger vorbereitet sind und authentischer reagieren.
Die Vergütungsstruktur eines Managementteams zeigt, welche Anreize gesetzt werden. Ich prüfe, ob die Anreize mit langfristigen Aktionärsinteressen übereinstimmen. Kurzfristige Boni basierend auf jährlichen Umsatz- oder Gewinnzielen können zu Kurzsichtigkeit führen. Aktienoptionen mit langen Haltefristen oder an mehrjährige Performanceziele gekoppelte Vergütungen fördern dagegen langfristiges Denken.
Besonders kritisch sehe ich extrem hohe Vergütungen im Verhältnis zur Unternehmensleistung. Als die Vergütung des GE-CEOs Jeff Immelt trotz unterdurchschnittlicher Performance stetig stieg, war dies ein Warnsignal. Im Gegensatz dazu verzichtete Southwest-Airlines-Gründer Herb Kelleher in Krisenzeiten auf Teile seiner Vergütung – ein starkes Zeichen für die Unternehmenskultur.
Insider-Transaktionen sind ein unverfälschter Indikator für das Vertrauen des Managements in das eigene Unternehmen. Wenn Führungskräfte in signifikantem Umfang Aktien kaufen – nicht durch Optionsprogramme, sondern mit eigenem Geld – ist das ein starkes Vertrauenssignal. Verkäufe sind schwieriger zu interpretieren, da sie aus persönlichen Gründen erfolgen können. Systematische Verkäufe mehrerer Führungskräfte sollten jedoch aufhorchen lassen.
Der langfristige Aktienbesitz des Managements ist mindestens ebenso wichtig. Als Bill Gates noch Microsoft leitete, blieb er stets größter Aktionär – seine Interessen waren mit denen der Anleger perfekt ausgerichtet. Wenn CEOs hingegen ihre Optionen sofort nach Ausübung verkaufen, deutet dies auf geringeres Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens hin.
Akquisitionen sind oft Stolpersteine für Unternehmen. Ich untersuche, wie erfolgreich das Management in der Vergangenheit bei Übernahmen war. Hat es den versprochenen Wert realisiert oder wurden Synergien überschätzt? Disney hat unter Bob Iger mit den Übernahmen von Pixar, Marvel und Lucasfilm bewiesen, wie wertschaffend kluge Akquisitionen sein können. Im Gegensatz dazu zerstörte die Übernahme von Compaq durch HP erheblichen Aktionärswert.
Nicht nur große Übernahmen, auch kleinere strategische Entscheidungen zeigen die Qualität des Managements. Hat das Unternehmen rechtzeitig auf Marktveränderungen reagiert? Microsoft verpasste zunächst den Wandel zum Mobile Computing, korrigierte aber unter Satya Nadella den Kurs und vollzog erfolgreich den Schwenk zur Cloud. Diese Anpassungsfähigkeit verhinderte, dass Microsoft das Schicksal von Nokia oder BlackBerry teilte.
Die langfristige Zielsetzung und deren Erreichung sind wichtige Qualitätsindikatoren. Ich prüfe, ob das Management in der Vergangenheit seine Versprechen eingehalten hat. Amazon kündigte früh an, den Einzelhandel zu revolutionieren und langfristig in Cloud-Computing zu investieren – beides hat das Unternehmen konsequent umgesetzt. Unternehmen, die ihre langfristigen Ziele regelmäßig verfehlen oder ständig anpassen, zeigen Schwächen in der strategischen Planung oder Umsetzung.
Dabei achte ich auch auf die Art der Ziele. Sind sie präzise und messbar oder vage und unverbindlich? “Wir wollen Marktführer werden” ist weniger aussagekräftig als “Wir werden unseren Marktanteil innerhalb von drei Jahren von 15% auf 25% steigern.” Konkrete Ziele zeigen, dass das Management klare Vorstellungen hat und bereit ist, sich daran messen zu lassen.
Krisenzeiten sind der ultimative Test für Managementteams. Wie hat die Führung auf unvorhergesehene Herausforderungen reagiert? Die COVID-19-Pandemie hat dies eindrucksvoll demonstriert. Unternehmen wie Zoom konnten schnell skalieren, während andere an mangelnder Anpassungsfähigkeit scheiterten. Das Management von Airbnb reagierte mit schnellen Kostensenkungen und einer strategischen Neuausrichtung, was dem Unternehmen half, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Auch frühere Krisen bieten wertvolle Einblicke. Wie hat das Management die Finanzkrise 2008 gemeistert? JPMorgan Chase unter Jamie Dimon navigierte diese Periode besser als die meisten Konkurrenten, was auf umsichtige Risikosteuerung hindeutete – ein Qualitätsmerkmal im Bankensektor.
Die Unternehmenskultur ist schwer zu quantifizieren, aber ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ich verfolge Berichte ehemaliger Mitarbeiter auf Plattformen wie Glassdoor oder in Interviews. Ein Unternehmen wie Costco, das für die faire Behandlung seiner Mitarbeiter bekannt ist, profitiert von geringerer Fluktuation und höherer Produktivität. Dies zeigt sich in konsistent starken Geschäftsergebnissen.
Hochrangige Personalwechsel können Aufschluss über die Unternehmenskultur geben. Häufige Führungswechsel oder der Abgang mehrerer Schlüsselpersonen innerhalb kurzer Zeit sind Warnsignale. Als mehrere Top-Manager Apple nach dem Ausscheiden von Steve Jobs verließen, befürchteten viele einen Niedergang. Unter Tim Cook hat sich jedoch ein stabiles Führungsteam etabliert, das den Erfolg fortsetzt.
Bei der Beurteilung des Managements ist auch der Umgang mit Ressourcen wichtig. Verschwenderische Hauptverwaltungen oder eine überdimensionierte Firmenflotte können auf Selbstüberschätzung hindeuten. Der verstorbene Berkshire-Hathaway-Vizepräsident Charlie Munger nannte dies den “Versailles-Effekt” – wenn CEOs beginnen, sich wie Könige zu verhalten. Im Gegensatz dazu arbeitet Warren Buffett seit Jahrzehnten mit einem minimalen Hauptsitz und wenigen Mitarbeitern – ein Zeichen von Effizienz und Bodenständigkeit.
Die Beurteilung der Managementqualität erfordert Zeit und Übung. Mit den vorgestellten Techniken kann ich jedoch systematisch vorgehen und objektive Kriterien anwenden. Dabei ist es wichtig, nicht nur eine, sondern mehrere Dimensionen zu betrachten. Ein CEO kann brillant in der Kapitalallokation sein, aber scheitern, wenn er keine starke Unternehmenskultur aufbaut.
Das Management ist letztlich entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Als Investor habe ich gelernt, dass die besten Investments dort zu finden sind, wo hervorragende Führungskräfte mit Integrität, strategischem Weitblick und konsequenter Umsetzungsstärke agieren. Die systematische Bewertung der Managementqualität hat mir geholfen, bessere Investmententscheidungen zu treffen und Unternehmen zu identifizieren, die nicht nur kurzfristig glänzen, sondern langfristig überdurchschnittliche Renditen erzielen.
Die hier vorgestellten sieben Techniken sind keine Garantie für Anlageerfolg, aber sie bieten einen strukturierten Rahmen, um die oft vernachlässigte menschliche Komponente in Investmententscheidungen einzubeziehen. In einer Welt, in der Algorithmen zunehmend Investmententscheidungen beeinflussen, kann die sorgfältige Beurteilung der Managementqualität einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.