Wenn ich an die Weitergabe von Vermögen denke, geht es mir nie nur um Zahlen. Es ist ein Akt der Weitsicht, eine Brücke zwischen dem, was man aufgebaut hat, und der Zukunft derer, die man liebt. Die größte Herausforderung ist oft nicht der Aufbau des Vermögens, sondern seine Übertragung, ohne dass ein unverhältnismäßig großer Teil an Steuern verloren geht. Ich habe gelernt, dass die effizientesten Strategien die sind, die Zeit und gesetzliche Freiräume als Verbündete nutzen, nicht als Feinde.
Eine der wirkungsvollsten Methoden beginnt mit einer einfachen Frage: Warum warten? Der gesunde Menschenverstand mag sagen, man solle sein Vermögen bis zum Lebensende behalten. Das Steuerrecht belohnt jedoch das Gegenteil. Die Möglichkeit, alle zehn Jahre 400.000 Euro an jeden einzelnen Erben steuerfrei zu verschenken, ist ein mächtiges Werkzeug. Ich stelle mir das vor wie das langsame Umpflanzen eines großen Baumes, Wurzelballen für Wurzelballen, anstatt ihn in einem Stück umstürzen zu lassen.
Neulich sprach ich mit einem Unternehmer, der diese Strategie meisterhaft anwandte. Anstatt seine zwei Mietobjekte im Wert von 800.000 Euro einmalig zu vererben, übertrug er sie schrittweise auf seine beiden Kinder. Durch die geschickte Ausnutzung der Freibeträge über zwei Generationen hinweg sparte die Familie schätzungsweise 120.000 Euro an Erbschaftsteuer. Der Schlüssel lag im Timing und in der Geduld, Vermögen zu übertragen, solange man selbst noch die Kontrolle über den Prozess hat.
Eine besonders elegante Lösung für die Übergangsphase ist der Nießbrauchvorbehalt. Hier trennt man rechtlich den Besitz vom Genuss. Man kann das Familienhaus oder eine vermietete Eigentumswohnung auf die Kinder übertragen, sich aber gleichzeitig das lebenslange Recht sichern, darin zu wohnen oder die Mieteinnahmen zu beziehen. Dieser Vorbehalt mindert den steuerlichen Wert der Schenkung erheblich, oft um bis zu 30 Prozent.
Für die Kinder bedeutet dies, dass sie das Vermögen frühzeitig erhalten, während die Eltern ihre gewohnte Lebensweise beibehalten können. Es ist eine Win-Win-Situation, die emotionale und finanzielle Sicherheit vereint. Die Steuerlast wird auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Nutzungsübergabe verschoben und ist in diesem Moment deutlich reduziert. Diese Methode erfordert ein hohes Maß an Vertrauen innerhalb der Familie, aber sie belohnt dieses Vertrauen mit erheblichen steuerlichen Vorteilen.
Für größere Vermögenswerte, die über mehrere Generationen gesichert werden sollen, lohnt sich ein Blick auf die Familienstiftung. Sie funktioniert wie ein dauerhafter Vermögenspool, der für die Familie verwaltet wird. Man gründet eine rechtliche Entität, der man das Vermögen überträgt. Diese Stiftung verwaltet das Kapital und kann regelmäßig Ausschüttungen an die festgelegten Familienmitglieder vornehmen.
Der große Vorteil liegt in der Perpetuierung. Das Vermögen bleibt zusammen und wird nicht in jeder Generation neu aufgeteilt und möglicherweise zersplittert. Schon mit einem Startkapital von 500.000 Euro können sinnvolle Strukturen aufgebaut werden. Die Erträge der Stiftung können unter bestimmten Bedingungen begünstigt besteuert werden. Es ist eine langfristige Denkweise, die sich von der kurzfristigen Perspektive des einfachen Vererbens abhebt.
Ein oft übersehenes Instrument ist die Kapitallebensversicherung. Wenn sie klug konzipiert wird, kann sie mehr sein als nur eine Risikoabsicherung. Bei älteren Verträgen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, können Versicherungssummen in beträchtlicher Höhe direkt an die Kinder ausgezahlt werden, ohne dass Erbschaftsteuer anfällt. Selbst bei neueren Verträgen gibt es Freibeträge, die genutzt werden können.
Die Idee ist, dass die Versicherungsgesellschaft zum Mittler wird. Man zahlt über Jahre oder Jahrzehnte ein, und am Ende geht die Summe direkt an die Bezugsberechtigten, umgangen wird der eigentliche Nachlass. Dieser Prozess kann administrative Komplexität reduzieren und gleichzeitig die Steuerlast minimieren. Es ist ein geradliniger, vorhersehbarer Weg, liquide Mittel an die nächste Generation zu transferieren.
Die vielleicht komplexeste, aber auch lohnendste Methode betrifft die Unternehmensnachfolge. Hier bietet der Gesetzgeber enorme Anreize, um Betriebe am Leben zu erhalten. Die Verschonungsregelung für Betriebsvermögen kann zu einer Steuerbefreiung von 85 oder sogar 100 Prozent führen. Die Bedingung ist, dass die Erben das Unternehmen für mindestens fünf Jahre fortführen.
Das ist mehr als eine Steuerstrategie; es ist ein Bekenntnis zur Zukunft des Lebenswerks. Für einen Betrieb im Wert von mehreren Millionen Euro kann die Steuerersparnis existenzsichernd sein. Sie verhindert, dass das Unternehmen liquidiert werden muss, um die Steuerschuld zu begleichen. Diese Regelung honoriert unternehmerisches Engagement über den Tod des Gründers hinaus und sichert oft auch Arbeitsplätze.
Alle diese Methoden haben eines gemeinsam: Sie erfordern Planung. Sie funktionieren nicht als Notlösung in letzter Minute. Der größte Feind der steueroptimierten Vermögensweitergabe ist die Prokrastination. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind klar, aber sie müssen aktiv genutzt werden. Es geht nicht darum, Steuern zu umgehen, sondern die legalen Gestaltungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen, die der Staat genau für diese Zwecke geschaffen hat.
Letztendlich geht es bei der Vermögensnachfolge nicht nur um Euro und Cent. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und die Weichen so zu stellen, dass das Erarbeitete nicht nur erhalten, sondern zur Grundlage für neue Möglichkeiten für die kommenden Generationen wird. Eine gut durchdachte Planung ist das letzte große Geschenk der Elterngeneration – ein Akt der Fürsorge, der noch lange nachhallen wird.